Staatsgalerie Prenzlauer Berg

Der Name ist ein klarer Fall von Amtsanmaßung

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Mathias Bertram, geboren 1960 in Berlin, Literaturhistoriker,
Publizist und Buchgestalter, seit 2003 künstlerischer Leiter des
Lehmstedt Verlags Leipzig, Herausgeber zahlreicher Fotobücher.

Mathias Bertram spürt seit einigen Jahren surreale Bilder und Strukturen an Stellen auf, an denen man sie am wenigsten vermutet und hält sie in ungewöhnlichen, mitunter rätselhaften Fotografien fest. Auf verwitterten Hauswänden entdeckte er romantische Landschaften, in abgenutzten Straßenmarkierungen merkwürdige Fabelwesen, auf Baucontainern Karten unbekannter Kontinente, in zerborstenen Treppenstufen virtuose Tänzer oder im Estrich die Welt der Tiefsee. Auf den ersten Blick könnte man vieler seiner Fotografien für Grafiken oder Gemälde halten, doch geschaffen hat all diese Motive und Gebilde niemand anderes als die Zeit, die an den Dingen nagt. Wasser, Wind, Luft lassen sie altern, Korrosionen und Kollisionen zerstören sie. Doch während die Dinge sich auflösen, entsteht mitunter etwas Neues, das dem Prozess des Alterns Würde verschaffen und Schönheit verleihen kann ? ein »Werden im Vergehen«, das Bertrams Fotografien fixieren.

Die Bilder stehen in der Tradition der »Objet trouvé«, die Künstler wie Marcel Duchamp vor 100 Jahren begründeten, indem sie triviale Gegenstände aus ihrem natürlichen Kontext lösten und dazu aufforderten, sie ästhetisch wahrzunehmen. Die Provokation von damals ist geschwunden, geblieben ist die Methode, die sich immer wieder aufs Neue als produktiv erweist. Dabei ist der Rahmen, den der Sucher der Kamera um die »gefundenen« Sujets legt, nicht nur das grundlegende Element der Bildkomposition. Er entrückt und entfremdet sie auch von ihrer Quelle. Ist er eng genug gezogen, entsteht ein Bild, das zwar keine Malhaut hat, aber dazu anhält, die festgehaltenen Strukturen und Figurationen wie Kunstwerke zu betrachten, ihnen also Absicht und Sinnhaftigkeit zu unterstellen. Ihre Deutung bleibt freilich wie bei einem Rorschach-Test ganz dem Betrachters überlassen, der in ihnen genau soviel Sinn findet, wie er ihnen aufgrund seiner Lebens- und Kunsterfahrungen beizulegen vermag.